24 giu 2010

Prognose

traduzione di Marianne Schneider


1
Gewöhnlich beginnt der Sommer mit einem Staubsauger
ein paar Häuser nebenan, mindestens sechs geöffnete Fenster,
schlagartig umwickelt das Kabel vergangene Sommer;
doch dies Jahr nicht für mich, der englische Sommer ist ein April
und den dreiundzwanzigsten Stock umwickelt nur der
verschmutzte Atem des Verkehrs, ein Klangkissen,
geklopft vom Wind, der eine Wolke emporhebt.
Im Raum und im Wetter schwebend,
ein Staubkörnchen, aufgesaugt von dem, das nichts anderes war,
als mein Leben, readiness is all, sag ich mir,
so ein Quatsch, höchstens das Gegenteil (eher der Riecher
für ein Zufallstor, um den Rückstand zu vermindern),
den Bogen des Auges zeichnet die Wimper wieder aufs Blatt,
das Öffnen der Sprudelflasche führt zu einer Panikattacke,
die Wolken ziehen Furchen durch ein Flugzeug, oder mit Hölderlin
«oft überraschet es einen, der eben kaum es gedacht hat».


2
Aber die Uhr bleibt ja nicht stehen, jetzt zum Beispiel
ist es Nacht, die Wolken liegen auf dem Erdboden,
werden von Bürsten ausgespült, der einzige Laut, den ich höre;
ich drehe am Fernglas, möchte mal sehn, wo ich bin:
Ich komm ins Alter der selbst aufgebrauchten Feuerzeuge,
keiner klaut's einem mehr, oder andersrum gesagt,
ich müsste meinerseits zu rauchen aufhören, für den Fiskus
existiere ich noch nicht, es beginnt die Angst vor dem Fliegen,
vielleicht, weil meine Heimat nicht viel mehr scheint als ein Visum,
hab ich in diesem Alter beschlossen auszuwandern.
Der erste Eindruck ist, der Fiskus hat recht.
Dann aber die ängstliche Unruhe, die was zu tun haben muss
mit diesem Versschema oder dem Herzfehler,
aber nicht allein, heißt zumindest, ich bin für nichts gerüstet,
bin auf nichts gefasst als auf den Schrecken,
dass ich hier bin, nichts konsumiere, die Rechnung serviert bekomme.


3
Die Tropfennadel näht mit dem Regenfaden
meine Gedanken hier oben an den schwarzen Asphaltboden
zweihundert Fuß tiefer und an Lichter, soweit das Auge reicht –
wundere dich nicht, wenn ich in Stockwerksprüngen denke.
Mit einer Oma teile ich im Moment die Wohnung
und die Korridore der Demenz, mit der englischen Sprache das Zimmer:
Die Welt sehe ich nicht, nur die auf sie verweisenden Blicke
der Wörter, ein Silberblick, der zwischen zwei Idiomen,
oder das, was wir als gespaltene Zunge kennen?
Gleichviel am Ende, nicht weil du an die Grenze gewöhnt bist
(zwischen Nord- und Südeuropa?), sondern weil das Dichten
zum Verrat des Erlebten führt, denn du willst es ja schreiben.
Es ist wohl wie bei einem Gemälde, wo das Weiß
der Leinwand Farben und Pinselstriche rechtfertigt,
exakter, klarer Flug an einem Wolkenrand.
Dichtung ist eine Technik zum Vorbereiten der Leinwand.


4
Der Atem erschafft die Leinwand,
drauf trocknen die Farben der Welt,
Klumpen der Erinnerung (und des Verlangens)
unter dem dünnen Glas der Gegenwart,
das zerbrich und verwende die Leinwand,
denn in demselben Bild lebst du
und verbesserst den Pinselstrich:
Für jenes Grün muss er kurz sein.
Zudem merkt der Künstler, er ist farbenblind.
Wo ich zum Beispiel geglaubt hatte
unterzugehn, den Ballast im Herzen
(wie bei der Probe, einer Hexe auferlegt,
heil, wenn sie ertrinkt, schuldig, taucht sie auf),
erscheint aus der Tiefe meine alte
Entscheidung, nichts zu entscheiden, nicht,
ob Bodensatz zu werden, Sand oder Strömung.


5
Derjenige, der ich war, betritt den Supermarkt von Sonora,
mit Kindern, die Kleber schnüffeln, isst er direkt aus den Regalen,
Leute in Häusern wie Zellen sprechen eine unbekannte Sprache,
ein Ding aus ihrer Hand schiebt er sich in die Haut und darunter,
Pistolenschüsse bei ihm zuhaus, wo ein Polizist wohnt,
in der Wüste starren Wahnsinnsaugen auf eine Flinte,
zwischen Männerborsten ist er eingezwängt in einem dachlosen Waggon,
er fährt ohne Führerschein, hält Meilen pro Stunde für Kilometer;
in Mülligen lebt er nachts zwischen Paketen, Rampen, studiert die Fraktale,
reibt sich den Schwanz zigmal weh, imitiert den Dichter Montale;
an der Uni besucht er fast nur Zeug für Anfangssemester,
sein RAM hat er ausgebaut, die Festplatte geopfert.
An all denjenigen, die ich war, erkenne ich dieselbe Unruhe,
die Aufregung derselben Sinnesorgane, Antennen der Sucht,
sie empfangen das unstete Signal des Wehs der joie de vivre,
erst jetzt einen neuen Ton in meinem beharrlichen Leitmotiv.


6
Wivenhoe, ein Ästuar; du bist auf Meereshöhe,
weitsichtige Wolken im richtigen Abstand,
um sich im Wasser zu spiegeln und auf dem Schlamm, wo Boote
einsinken, wie in braunes, geschlachtetes Fleisch,
während Möwen die Messer wetzen und Schiffsmasten
eingeschüchtert mit den Zähnen klappern. Dann überzieht
der Schweiß der Flut den Leib, und verstümmelt laufen
die Boote aus zu einer grauen Vergnügungsfahrt.
Meine Angst ist weg. Bemerkt habe ich, wie meine Fingernägel
allein die Wunde aufreißen da, wo die Narbe
des fernen Rituals ist der Initiation, sie taten es lange
Nächte hindurch und ich war blind, denn die Narbe
ist das Auge. Ich sah mich nicht als Menschen an,
sondern als Fruchtwasserwelle, die sich am letzten Damm
bricht oder dem dahinter oder auf dem Grund.
Das Aug verheilt. Die Tränen mögen fließen, verwahrt bleibe das Blut.




7 Fresh water
Ich erkenne alles wieder: das hohe Gras im Schatten, Werkzeuge,
die Häuser mit den leeren, doch nicht offenen Zwischenräumen,
Ruß schichtenweise auf allem,
verrostete und zersetzte Materialien –
die Tricks der Welt, um flexibel zu bleiben – ,
und die Himbeeren am Rand des Kanals (der Grand Union,
von wegen "Süßwasser", gleicht eher einem Gewehrschuss),
den Geschmack des Feuchten und Dunklen.
Und ich entdecke (als St. Mary die Stunde schlägt),
dass ich niemand bin, bis zur Paranoia,
ein Blick im Gegenwind ein Wort,
ein fremdes, das vor Schwere im Hals steckenbleibt,
ein Film, der seinen möglichen Ton verlor:
Aber (unter der Schrift "Material Gesture") unterhalten sich
angeregt mehrere Taubstumme, hier wo ich bin,
ist nur ein Lippenlaut den Ton wert.


Pubblicato in "Gazzetta", parte dell'articolo Autoritratto con nonna altrui.

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